In letzter Sekunde

Eine Kurzgeschichte von Maya Kaburidis aus der 3D-Klasse (Gastbeitrag)

„Du traust dich das doch eh nicht“, spottete Lina. „Wetten doch?“, erwiderte ich und trat an die Brücke heran. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch setzte ich meinen Fuß auf das knarrende Holz. Ich warf einen ängstlichen Blick in den tosenden Fluss, hörte das Donnern des Wassers. Doch kneifen kam nicht in Frage, Lina würde mir ewig vorhalten, ich sei ein Feigling. Einfach über die Brücke und fertig. Ich tat einen weiteren Schritt, die Holzplanken knarzten erneut. Mir brach der Schweiß aus allen Poren, als ich mich Schritt für Schritt über die Brücke zwang. Ein weiteres Mal sah ich in die Tiefe hinab, in die schäumenden Wellen des Flusses.

Mir kroch es kalt über den Rücken und ich wandte schnell den Blick ab, fixierte mit den Augen die andere Seite der Schlucht und ging langsam weiter. Ich war schon fast drüben angelangt, da krachte es zu meinen Füßen. Mir entwich ein Entsetzensschrei, als ich ins Nichts trat und in die Tiefe gerissen wurde. Im letzten Moment krallte ich meine Hände in das morsche Holz. Neben mir fielen Holzplanken in den Fluss, mit einem lauten Platschen versanken sie in den Wellen. Ich strampelte mit den Füßen, versuchte mich hochzuziehen. Vergebens. Zum dritten Mal blickte ich in die Tiefe der Schlucht und auf den rauschenden Fluss. Es war unmöglich, einen Sturz in die Fluten aus dieser Höhe zu überleben. Vielleicht waren unter Wasser ja auch noch spitze Steine. Ein kalter Schauer kroch mir über den Rücken. Erneut versuchte ich zurück auf die Brücke zu gelangen. Keine Chance. Ich spürte die Feuchtigkeit aus dem Fluss aufsteigen, hörte das Brechen der Schaumkronen gegen aus dem Wasser aufragende Felsen. Mir gefror das Blut in den Adern, als ich fühlte, wie meine Kräfte nachließen. Ich grub meine Finger in das Holz, doch mein Griff wurde schwächer. Meine Hände lösten sich schließlich, mit einem lauten Schrei fiel ich, in meinen Ohren dröhnte das Brausen des Wassers immer lauter, da wurde ich an den Handgelenken gepackt. Ich sah auf. „Lina!“ Mit einem Ruck zog mich meine Freundin in Sicherheit. „Solche Mutproben lassen wir in Zukunft besser bleiben.“

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